American Football – ein exklusiver Kollisionssport, den nicht alle spielen wollen oder können. Es gibt eine nahezu unendliche Anzahl von theoretischen taktischen Möglichkeiten für die Coaches dieses Spiel strategisch zu gestalten. Es gibt aber auch vielfältige praktische körperliche und geistige Anforderungen an die Spieler dieser faszinierenden Mannschaftssportart. Diese Artikelserie setzt bei den athletischen Anforderungen an und bietet somit eine Darstellung möglicher Leistungspotentiale. Denn diese Potentiale sind für Coaches, als auch für Spieler interessant. Athletik Training lohnt sich!
American Football ist eine schnelle Sportart. Daher gehört der Test über die 40 Yards zum Standard Testprogramm im American Football. Mit diesem Artikel möchte ich auf der einen Seite auf die verschiedenen Perspektiven eingehen, wie man diesen Test bewerten kann. Auf der anderen Seite möchte ich aufzeigen, welche Rolle diese klassischen Testergebnisse hinsichtlich einer Vergleichbarkeit von (Schnelligkeits-) Leistungen spielen. Dazu gehört die Beleuchtung des Aspektes von „Anforderungsprofilen“ im US High School-, College- und NFL Football. Diese Punkte sind die Bausteine für eine (unterentwickelte?) Komponente im deutschen Football, dem sog. „Speed Bereich“. Der Faktor „Schnelligkeit“ ist ein Trainings- und Handlungsbereich für Coaches und Spieler mit großem Verbesserungspotential!
LEIDER lassen sich viele Informationen nicht verkürzt darstellen bzw. gibt es kein einfaches Lösungsbuch für die zu diskutierenden deutschen/europäischen Leistungspotentiale!
1. Wie wird getestet?
Beim 40 Yards Sprinttest (36,6m) wird die Zeit ermittelt, die ein Athlet zur Bewältigung dieser Strecke benötigt. Bei der klassischen NFL Combine werden über dieses Strecke auch die Zeiten über 10 (9,1m) und 20 Yards (18,3m) erfasst. Der Start erfolgt ohne ein Startkommando bzw. Startsignal. Die Startposition ist in der Regel eine Hock- bzw. Kauerhaltung, aus der (ohne Starthilfe im Sinne z.B. eines Startblockes) der Start erfolgt. Messbeginn ist die erste sichtbare Bewegung des Athleten bei der eine elektronische Messanlage ausgelöst wird. Die Zeitmessung wird elektronisch bzw. automatisiert nach 10, 20 und 40 Yards gestoppt.
2. Was wird getestet?
Bei einem Sprinttest wird die motorische Fähigkeit überprüft, sich maximal schnell in einem sog. zyklischen (motorischen) Bewegungsmuster über eine gerade Distanz von 40 Yards fortzubewegen. Es ist ganz allgemein von Bedeutung zwischen den verschiedenen Formen der Schnelligkeit zu unterscheiden (vgl. Abb. 1).
Abbildung 1 Die allgemeine Fähigkeitsstruktur der Schnelligkeit (vgl. HOHMANN, LAMES, LETZELTER 2007, 87) modifiziert nach SCHMALE (unveröffentlichte Skripte 2012)
Definition:
„Mit Schnelligkeit bezeichnet man die Fähigkeit unter ermüdungsfreien Bedingungen in maximal kurzer Zeit motorisch zu reagieren und/oder zu agieren“ (vgl. HOHMANN, LAMES, LETZTELTER 2007, 86).
Die zyklische Sprintschnelligkeit gehört zur komplexen Schnelligkeitsfähigkeit und ist eine „sportartspezifische Fähigkeit, die meist mit den anderen Fähigkeiten kombiniert auftritt“ (vgl. HOHMANN, LAMES, LETZELTER 2007, 87). Des Weiteren sind auch die sprintspezifischen Ausprägungen der Kraft (insbesondere die Maximal- und Schnellkraft) für die zyklische Sprintfähigkeit von Bedeutung, denn sie „… sind keine alternativen, sondern sich ständig ergänzende Trainingsarten (vgl. GROSSER 1991, 111). Die oben genannten Ausprägungen werden z.T. durch die anderen Testelemente der Combine Testbatterie überprüft (siehe z.B. Reichhöhentest und Standweitsprung). Gelaufen werden die 40 Yards ohne footballtypische Ausrüstung. Bei Testverfahren müssen natürlich standardisierte Bedingungen gelten (z.B. wird die NFL Combine immer Indoor und in Footballschuhen (keine Spikes!) auf Kunstrasen gelaufen). Grundsätzlich kann man diesen Test aus vier verschiedenen Perspektiven betrachten und die gezeigten Leistungen separat „bewerten“:
2.1 Die technische (Bewegungs-) Ausführung des Sprintlaufs:
Ganz allgemein lässt sich aus der Tester Perspektive das technische Vermögen bzw. Unvermögen eines Athleten beobachten, während er einen maximal schnellen Sprint durchführt. Sprints werden in der Regel in vier Phasen (vgl. z.B. SCHNABEL; HARRE & KRUG 2008) unterteilt:
2.1.1 Die Startphase: Hier ist es z.B. von Bedeutung, ob der Athlet, im Sinne eines athletischen Sprintstarts, seinen Körper richtig „platzieren“ kann. Damit ist vereinfacht gemeint: wie sind die Füße positioniert, wie ist der Oberkörper eingestellt, wie ist die Haltung des Kopfes (Blickrichtung), wie ist die Armhaltung, sind die Muskeln der sog. Streck-Schlinge unmittelbar vor dem Start aktiv „vorgespannt“, usw.?
2.1.2 Die Beschleunigungsphase: In der Beschleunigungsphase lassen sich beispielsweise folgende Beobachtungen zur Beurteilung der motorischen Sprintkompetenz eines Athleten machen: Wie ist die Oberkörper- und Hüftpositionierung, wie ist die Kopfhaltung (Blickrichtung), werden die Arme aktiv eingesetzt, wie ist der Fußaufsatz, stimmt die Beinarbeit in der Beschleunigungsphase, usw.?
2.1.3 Die Phase der maximalen Geschwindigkeit: In Abhängigkeit der Beschleunigungsfähigkeit und „erlernten“ Technik erreichen Weltklassesprinter der Leichtathletik erst nach 30 – 60 Metern ihre maximale Geschwindigkeit. Beim American Football hängt es (meist) von der Spielposition, den positionsspezifischen Wettkampf-Anforderungen und der für diesen Test wichtigen Sprinttechnik ab, wann der Athlet seine max. Geschwindigkeit erreicht. Auch hier werden, wie in 2.1.2 angedeutet, technische Schlüsselelemente wie z.B. die Positionen im Fuß-, Knie- und Hüftgelenk während der Stützphase sichtbar. Auch das Oberkörper- und Rumpfverhalten, sowie die Kopfposition und Armarbeit geben weitere Informationen für den Beobachter.
2.1.4 Die Phase des Geschwindigkeitsabfalls: Wie bereits oben beschrieben, kann es passieren, dass Athleten verhältnismäßig früh ihre Maximalgeschwindigkeit erreichen, so dass es darum geht, möglichst unverkrampft und technisch sauber die Geschwindigkeit bis ins Ziel zu bringen. Aufgrund der kurzen Test-Distanz sollte diese Phase nur eine untergeordnete Rolle spielen, kann aber in der Footballrealität z.B. in den Special Teams (Kick off) sehr wohl wichtig sein.
2.2 Die Ermittlung der schnellsten 40 Yards Zeit:
Es klingt trivial, aber eine Messung der Zeit, die man für das zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke benötigt, macht aus verschiedenen Gründen Sinn.
2.2.1 Vergleichbarkeit und Transparenz:
Ganz allgemein formuliert hat gerade im Nachwuchsbereich der eigene Vergleich und die Einordnung der individuellen Leistung zu anderen Athleten (Konkurrenten / Mitspieler) eine enorme motivationale Bedeutung. Im Leistungs- und Profibereich lassen sich die ermittelten Leistungen mit Normwerten oder Referenzwerten vergleichen, so dass sich z.B. wichtige Orientierungs- und Zielgrößen für einen zielgerichteten Trainingsprozess ableiten lassen. Vergleicht man die Leistungen von zwei Leistungstests innerhalb eines Teams (vgl. Abb. 2), so ändert sich ggf. nur wenig an der Reihenfolge der Schnellsten zu den Anderen. Aber man kann die Leistung (in diesem Fall eine qualitative Verbesserung) und Leistungsentwicklung des Teams darstellen. Wenn das Kollektiv insgesamt schneller wird, so wird sich das auch auf den „Gamespeed“ des Teams insgesamt auswirken.
Abbildung 2 Ein Vergleich der Teamentwicklung von Test 1 zu Test 2. Getestet wurde mit einer elektronischen Messanlage bei standardisierten Testbedingungen (vgl. Schmale 2012 unveröffentlichte Skripte).
Bei den US Talentscouts, die Talente aus der High School (HS) für die Colleges suchen, steht natürlich nicht die Kollektivleistung, sondern die individuelle Leistung eines „prospects“ im Vordergrund des Interesses. GHIGIARELLI (2011) hat unter anderem nach den Leistungen der sog. 5 Star High School „recruits“ geschaut, die von den Talentscouts als die talentiertesten HS Spieler für 10 Spielpositionen eingestuft wurden (vgl. Tab. 1).
Position | Anzahl | 40 Yards (Sek.) 5 Star | Größe in cm | Gewicht (kg) |
CB | 17 | 4,41 ± 0,09 | 183 ± 3,4 | 78 ± 4,35 |
WR | 25 | 4,48 ± 0,13 | 187 ± 4,9 | 85,4 ± 6,85 |
TE | 4 | 4,60 ± 0,07 | 193 ± 3 | 104,1 ± 7,1 |
LB | 22 | 4,67 ± 0,19 | 187 ± 3 | 103,1 ± 11,6 |
OL | 22 | 5,24 ± 0,23 | 194 ± 6,7 | 135 ± 13,1 |
DT | 19 | 4,99 ± 0,22 | 191 ± 4 | 130 ± 9,4 |
DE | 12 | 4,72 ± 0,14 | 190 ± 4 | 111,8 ± 11,5 |
S | 6 | 4,50 ± 0,08 | 180 ± 2 | 86,8 ± 2,31 |
RB | 20 | 4,49 ± 0,12 | 180 ± 3 | 88,1 ± 7,85 |
QB | 14 | 4,71 ± 0,14 | 192 ± 2 | 93,6 ± 6,37 |
Gesamt | 161 | 6,30% | ||
Gesamte Stichprobe | 2560 | 100% |
Tabelle 1 Darstellung der Durchschnittswerte der sog. 5 Star High School recruits mit der Zeit über 40 Yards, der Körpergröße und des Körpergewichtes, sowie den Standardabweichungen vom Mittelwert. Alle Daten sind in Anlehnung an GHIGIARELLI (2011) von SCHMALE für diesen Artikel modifiziert worden.
Im Vergleich zur Gesamtgruppe von 2560 Spielern (Elite High School Football Playern von 2001 – 2009) ist die Gesamtgruppe von 5 Star Recruits mit 6,3% verhältnismäßig klein. Vergleicht man die Mittelwerte z.B. zwischen den 5 Star und den 3 Star Recruits (vgl. Tab. 2), die immerhin 53,7% der Gesamtstichprobe stellen, so kann man z.T. erhebliche Unterschiede ausmachen. Interessant an diesem Vergleich ist die Abhängigkeit der Differenzgröße der 40 Yards Mittelwerte von der Spielposition. So ist z.B. bei den TE die Differenz zwischen 5 und 3 Star im Schnitt mit 2,5 Zehntel Sekunden relativ groß, während diese bei den QB´s mit 0,05 Sekunden relativ unbedeutend ist. Dennoch sind in diesem Fall die Durchschnittswerte beider QB-Gruppen von deutlich unter 4,8 Sekunden ein Richtwert für die Mindestanforderungen für QBs in diesem Alter und Spielniveau.
Tabelle 2 Vergleich der 40 Yards Mittelwerte (und der Standartabweichungen) von 5 Star zu 3 Star High School Recruits. Alle Daten sind in Anlehnung an GHIGIARELLI (2011) für diesen Artikel modifiziert worden.
Position | Anzahl | 40 Yards (Sek.) 5 Star | 40 Yards (Sek.) 3 Star |
CB | 17 | 4,41 ± 0,09 | 4,56 ± 0,14 |
WR | 25 | 4,48 ± 0,13 | 4,52 ± 0,20 |
TE | 4 | 4,60 ± 0,07 | 4,85 ± 0,15 |
LB | 22 | 4,67 ± 0,19 | 4,71 ± 0,16 |
OL | 22 | 5,24 ± 0,23 | 5,35 ± 0,26 |
DT | 19 | 4,99 ± 0,22 | 5,19 ± 0,24 |
DE | 12 | 4,72 ± 0,14 | 4,87 ± 0,21 |
S | 6 | 4,50 ± 0,08 | 4,63 ± 0,14 |
RB | 20 | 4,49 ± 0,12 | 4,61 ± 0,21 |
QB | 14 | 4,71 ± 0,14 | 4,76 ± 0,18 |
Gesamt | 161 | 6,30% | 53,7% |
Gesamte Stichprobe |
2560 | 100% | 1375 |
Bei diesem Vergleich wird deutlich, dass die 40 Yards Zeit derzeit eine große Bedeutung bei der Beurteilung und Bewertung von „Talenten“ hat. Gleichzeitig wird auch klar, dass es pro Position definierte Bereiche gibt, die bereits ab HS Niveau Mindestanforderungen definieren, als auch Spitzenleistungen im Sinne von (wünschenswerten) Obergrenzen vorgeben. Dieser definierte Bereich pro Individual – Position ist sowohl ein Vergleichsinstrument für die Scouts und Coaches, als auch gleichzeitig ein transparentes Trainings- und Leistungsziel für ambitionierte und talentierte Spieler.
2.3 Trainings- und Leistungsziele:
Durch die standardisierten (zeitlichen) Trainingsbedingungen für athletisches und technisch/taktisches Training an den High Schools und Colleges der USA (vgl. ARTHUR/BAILEY 1998), entsteht eine relativ breite und gute Basis für Vergleichbarkeit von Einzelleistungen. Das ist in sofern wichtig, um z.B. Spitzenleistungen in Verbindung mit dem Trainingsaufwand und dem entsprechenden „Spielniveau“ bewerten zu können. Bei den meisten US-Athleten kann man von einer vier jährigen (strukturierten) Trainings- und Entwicklungsphase an der HS ausgehen. Darauf folgen maximal fünf Jahre Trainingszeit beim College Football. Da die Leistungsanforderungen für die Topp Schulen / Universitäten und auch für die NFL bekannt sind, kann sich ein (Schul)- Athlet in seinem Entwicklungsprozess an diesen Mindestanforderungen orientieren. Da diese Anforderungen (auch!) über die 40 Yards Strecke getestet werden, bekommen sie eine Relevanz für den Trainingsprozess.
2.4 Die Beschleunigungsfähigkeit:
Wie bereits in der Einleitung angesprochen, werden bei der NFL Combine zusätzlich die 10 und die 20 Yards pro Testlauf mit gestoppt. Auch diese Einzel-Zeiten lassen sich positionsspezifisch miteinander vergleichen. Darüber hinaus erlauben die zusätzlichen Messdaten, die Beschleunigungsfähigkeiten der Athleten zu bestimmen. In Abhängigkeit der taktischen Spielphilosophie des Clubs, der Sprinttechnik und dem Vergleich der Messdaten mit den Leistungen von Athleten auf derselben Spielposition, ergeben sich interessante Zusatzinformationen. Vergleicht man die Abschnittsleistungen in Abbildung 3 (in diesem Fall alle 5 Yards) miteinander, so zeigt sich eine steilere Beschleunigungskurve bei dem auf 40 Yards schnelleren Spieler (grün). Obwohl dieser Spieler 1/10 Sekunden schneller auf dieser Distanz läuft, hat er mit 10,20 (9,33m) eine um 0,67 Yards pro Sekunde geringeren Topp Speed als der QB (schwarz). Betrachtet man dagegen die positiven und negativen Beschleunigungswerte eines 40 Yards TD Laufspielzuges des QB (weiß) mit dem linearen Verlauf des geraden Test-Sprintlaufs wird Folgendes deutlich. 1. Die maximale lineare Test-Geschwindigkeit wird nicht erreicht. 2. Die Steilheit pro Beschleunigungsabschnitt ist von footballspezifischer Bedeutung. 3. Die maximale lineare Geschwindigkeit ist eine relative Bezugsgröße bei der Interpretation von Schnelligkeitsleistungen über 40 Yards!
Abbildung 3 Beschleunigung- und Schnelligkeitsfähigkeiten beim 40 Yards Sprint und einem 40 Yards TD Spielzug (QB). Modifiziert von SCHMALE (unveröffentlichte Skripte 2012) in Anlehnung an ARTHUR / BAILEY (1998,14-15).
Die Beschleunigungsfähigkeit ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben neurologischen und biomechanisch-technischen Aspekten sind aber primär die Maximalkraft im Verhältnis zum Körpergewicht und die Dimensionen der sog. Schnellkraft die leistungslimitierenden Größen der Beschleunigung. Die Distanzen im AF sind in der Regel nicht sehr lang, so dass Athleten einen bedeutenden Vorteil erringen können, wenn sie diese relativ kurzen Distanzen schneller bewältigen bzw. überbrücken können als ihre Gegner. BLISS (1986) hat, bereits in den 80er Jahren, Durchschnittsstrecken pro Spielzug (ohne Special Teams) in der NFL beschrieben, die in Abhängigkeit der Spiel-Position von „nur“ 4,2 bis 15,3 Yards reichen.
Als zusätzliche Information bzgl. der energetischen Anforderungen dienen zum einem die Untersuchungen von KRAMER & GOTTSCHALK, die eine durchschnittliche zeitliche Belastung pro Play (NFL) von 5,05 Sekunden (vgl. Kramer & Gottschalk 2000) ermittelt haben. Daraus lässt sich eine überwiegend anaerobe – alaktazide Energiebereitstellung ableiten, die auch gleichzeitig in etwa den getesteten Mittelwerten über die 40 Yards bei den 3 und 5 Star HS Spielern entspricht (vgl. Tabelle 2). OL-5 Star und OL bzw. DT-3 Star liegen nur knapp über diesem Wert.
Es obliegt den Scouts / Coaches aus diesem Gesamtpaket der Informationen über die 40 Yards Sprints die richtigen Schlüsse zu ziehen. Nicht selten führen hier Entscheidungen zu kontroversen Diskussionen, denn es wird nicht zwingend der Spieler mit der schnellsten 40 Yards Zeit höher gedraftet (vgl. z.B. KUZMITS/ADAMS 2008; ROBBINS 2010).
3. Zusammenfassung:
Bei der Einschätzung von HS-, College- und NFL-Combine Testleistungen kommen die jahrzehntelangen Erfahrungen von Scouts und Coaches zum Tragen. Die Interpretation der Leistungsdaten wie Topp Speed, Beschleunigungsfähigkeit und Lauftechnik hängt immer auch von der jeweiligen Zielsetzung ab. Dabei fällt ein „reduzierter“ Fokus auf den rein ermüdungsfreien Sprinttest auf (vgl. Definition unter Punkt 2.) Die footballspezifische Sprintausdauer unter Ermüdung, wie sie z.B. BLISS (1986, 247) vorschlägt, spielt interessanter Weise keine Rolle bei den NFL Combines. Bei durchschnittlich 61,9 Plays pro Game in der regulären NFL Saison 2011 und 53,3 Plays pro Game in der GFL Saison 2010 (vgl. SCHMALE 2012 unveröffentlichte Skripte) ist es erstaunlich, dass Ermüdung bzw. energetische Faktoren offiziell keine (Test) Bedeutung haben!
Bei der positionsspezifischen Bestimmung von „Talent“ ist natürlich auch von Bedeutung wie groß und wie schwer der Athlet im direkten Vergleich zu seinen Positionskonkurrenten ist (vgl. Tab. 1). Gleichzeitig ist es genauso von Bedeutung, wie diese Leistungen mit den „körperlichen“ Daten im Vergleich zum direkten Gegenspieler auf der anderen Seite des Balles sind. In Verbindung mit dem Spielniveau, der Trainingszeit von 8-9 Jahren, der Einsatzzeit und natürlich der (statistischen) „Game oder Match Performance“ bei HS- und Collegespielen zeigt sich, ob ein Spieler für das nächste „Level“ die sogenannte „Fooball Playing Ability“ (FPA) hat oder nicht (vgl. z.B. SAWYER et. al. 2002). FPA und die physischen Größen (Körperlänge und Gewicht) haben einen sehr großen Einfluss auf das sog. „recruitment potential“ eines High School Spielers zu Division 1-A Colleges (vgl. GHIGIARELLI 2011). Gleichzeitig bestätigen zahlreiche Untersuchungen in den USA, dass es einen Zusammenhang von FPA, physischen Daten und den Leistungen über die 40 Yards gibt, wenn höher eingeordnete Talente (4 und 5 Star ) mit schlechter bewerteten „recruits“ (2 und 3 Star) verglichen werden (ebd. 2011). Das es (außergewöhnliche) Ausnahmen der Regeln und nur schwer zu „messende“ Eigenschaften gibt, sieht man am Beispiel des Receivers Wes Welker. Der Receiver von den New England Patriots ist nur 5,09 Fuß groß (ca. 1,75m) und hat mit einer 40 Yards Bestzeit von 4,65 Sek. (www.nfldraftscout.com/ratings) keine Combine Einladung 2004 bekommen! Trotzdem führt er mit 122 catches für 1.569 Yards die Liste der Receiver in der regulären Saison 2011 (nfl.com/stats) an. Durchhaltevermögen, mentale Fähigkeiten, Vielseitigkeit (Welker hat sich als zunächst als Returner für die NFL qualifiziert) und viele andere Parameter fließen in die FPA ein. Die Kunst des Coachens ist auch die Fähigkeit, diese Parameter „richtig“ zu interpretieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gerade deshalb macht das US-amerikanische Football System mit dieser Art der Vergleichbarkeit, der Transparenz und des Wettbewerbs auf Grund der hohen Dichte von Footballspielern trotzdem Sinn. Allerdings muss man sich auch die statistischen Dimensionen dieser „gnadenlosen“ Selektion in den USA vor Augen führen. Nach vier Jahren High School Football erfolgt bereits ein bedeutender Selektionsprozess, denn in der Regel werden „nur“ die Topp HS Talente von Topp Colleges rekrutiert. Somit „heizt“ der Wettbewerb (kollektiv und individuell) auf Topp Niveau die Leistungsanforderungen aufgrund einer vergrößerten Leistungsdichte weiter an. Ein langer und sehr selektiver Weg führt von der breiten High School- und College Football Basis schließlich zu einer „nur“ sehr kleinen und „elitären“ Spitze von Hochleistungssportlern und Profis in der National Football League.
Fakten: Von ca. 100.000 High School Seniors schaffen es jedes Jahr nur ca. 215 (0,2%!) auf ein NFL Roster (vgl. https://www.nflplayers.com/about-us, 2012-01-19). Selbst mit einer Topp College Football Karriere ist die Wahrscheinlichkeit nicht gerade groß (bei ca. 9.000 College Footballspielern pro Jahrgang) zu den ca. 310 Talenten zu gehören, die direkt zur NFL Combine eingeladen werden (https://www.nflplayers.com/about-us).
4. Was bedeutet das für das Training in Deutschland?
Im Football Breiten- und Freizeitsport stehen andere Aspekte im Vordergrund des Interesses, so dass diese Gruppen sich hier nicht angesprochen fühlen sollten. Für den Leistungssport American Football habe ich folgende Vorschläge.
Meine Top 6 Vorschläge für schnellere Spieler sind:
1. Konkrete Anforderungsprofile:
Konkrete Anforderungsprofile zu schaffen, zu kennen und Zielsetzungen an die Athleten zu stellen sind essentielle Kriterien im Leistungssport. Natürlich macht das zunächst nur da Sinn, wo,
- entsprechender Wettbewerb von vielen Spielern herrscht die vergleichbare Ausgangsvoraussetzungen haben, z.B. bei Auswahlmannschaften, Nationalmannschaften, 1. Bundesliga (Herren)?
- ein visionäres und langfristiges (politisches und sportliches) Interesse an Entwicklungs- und Verbesserungspotentialen besteht.
- Ressourcen (Zeit, Information, Geld) zur Verfügung gestellt werden können.
- ein (Coaching) Bedarf besteht, den vorhandenen Talenten qualitative „Orientierungsgrößen“ für eine konsequente Entwicklung anzubieten. Eine Coaches Aussage, wie „Du musst schneller werden!“, ist möglicherweise inhaltlich richtig, hilft aber in der Trainings- und Wettkampfrealität nicht weiter. Vor allem vor dem Hintergrund von sog. „drop-out“ Quoten, sollte es vom großen (sportlichen und politischen) Interesse sein, sich frühzeitig mit einer „optimaleren“ Vorbereitung von Talenten zu beschäftigen. Nur so wird sich mittelfristig die Zahl von besseren Nachwuchsspielern für die deutschen Topp Ligen qualitativ steigern lassen können.
2. Eine Verlängerung der Trainingszeit auf das gesamte Football (Trainings-) Jahr. Das gilt sowohl für ambitionierte Athleten, die alleine für sich trainieren, als auch für das organisierte Mannschafts- bzw. Positionstraining.
3. Eine „bessere“ ggf. neu zu planende Phasierung und Verzahnung von athletischen Trainingsinhalten in Verbindung mit footballspezifischen Inhalten (Technik/Taktik) in der zur Verfügung stehenden, limitierten, Trainingszeit. An dieser Stelle wird man in Trainer Praxis nicht umhin kommen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und zu diskutieren. Hier steckt aus meiner Sicht, großer Entwicklungsbedarf!
4. Eine (verstärkte) Vermittlung und Integration von athletischen und technischen Fähigkeiten des Sprintlaufs z.B. die Start-, Beschleunigungs- und die Phase der max. Geschwindigkeit im langfristigen Trainingsprozess. Hier hat die High School und College Ausbildung in den USA den nahezu unschlagbaren Vorteil einer vielseitigen Wettkampfausbildung in verschiedenen Sportarten, wie z.B. der Leichtathletik. Hier in Deutschland würden bereits kleine „technische“ Verbesserungen enormes (Speed-) Potential entfalten und Wettbewerbsvorteile schaffen!
5. Konsequente Planung und Durchführung von Leistungstests (LT) unter standardisierten Bedingungen sind die Grundlage für eine Trainingsplanung. DUEHRING et. al. (2009) haben für US High School Football Teams festgestellt, dass diese im Mittel 3,86 LT pro Jahr/Saison durchführen. Auffällig ist die Information, dass über 97% der an dieser Studie teilnehmenden Coaches angeben, PERIODISIERUNGSMODELLE für die Trainingsplanung zu nutzen. Solche Modelle und Planungen spielen in Deutschland, wenn überhaupt, höchstens eine untergeordnete Rolle!
Des Weiteren sind LT essentiell wichtig für:
- Die Betonung der Relevanz von athletischen Fähigkeiten
- Die Trainingskontrolle (Soll/Ist- Wert Vergleich)
- Motivations- und Teamspirit Instrument
- Als mögliche „Events“ im Teamkalender für Fans, Medien und „Sponsoren“.
- Chance zur Datensammlung zur Erstellung von (eigenen) Anforderungsprofilen
6. Aus meiner Sicht ist die Steigerung der Beschleunigungsfähigkeit eine wesentliche und gleichzeitig „footballspezifische“ Komponente von Leistungspotentialen im deutschen (europäischen) American Football. Dabei spielt die Einbindung von strukturiertem Krafttraining (KT) die Hauptrolle für „schnelle“ Verbesserungen. Allerdings muss das (KT) den spezifischen (deutschen/europäischen) Anforderungen im American Football entsprechen und auch den unterschiedlichen positionsspezifischen Aspekten gerecht werden. Dazu bedarf es einer Diskussion und auch eines Erfahrungsaustausches, wie man im „Spitzen-Football“ hier zu Lande Inhalte, Methoden und (Periodisierungsmodelle) im Jahresverlauf sinnvoll entwickeln, einbetten und weiterentwickeln kann.
Fazit:
In der Football Trainingsrealität werden sowohl individuelle als auch kollektive Verbesserungen im Kraftbereich, qualitative (Leistungs-) Verbesserung bedeuten. Natürlich lässt sich die getestete lineare Geschwindigkeit des 40 Yards Sprints nur indirekt auf den sog. footballspezifischen „Game-Speed“ übertragen. Dennoch wird sich durch „schnellere“ Spieler das Spielniveau verändern. (Notwendige) Veränderungen im technischen und/oder taktischen Bereich werden dadurch ebenfalls forciert, so dass ein besserer Game-Speed auch als „taktische Waffe“ gesehen werden kann, um Spiele zu gewinnen. Betrachtet man Training als „die planmäßige und systematische Realisation von Maßnahmen (Trainingsinhalten und Trainingsmethoden) zur nachhaltigen Erreichung von Zielen (Trainingszielen) im und durch Sport ( vgl. HOHMANN / LAMES / LETZELTER 2007), so könnten für den deutschen Football enorme Potentiale erschlossen werden. Voraussetzung hierfür ist die konstruktive Benennung von Inhalten zu den Punkten planmäßig und systematisch, sowie eine konkrete Zielsetzung z.B. für die Erreichung von athletischen Mindestanforderungen.
Beispiel:
Das Einstiegsalter für das Krafttraining im Football könnte man z.B. mit 16 Jahren benennen. Planmäßig würde dies bedeuten, dass ein Spieler bis zum 19 Lebensjahr drei Jahre Trainingszeit in der Jugend verbringt. Bei geschätzten 30 Wochen organisiertes (Football-) Training pro Jahr sind das bei 2-3 Trainingseinheiten pro Woche 60-90 Trainingseinheiten im Jahr. Mal drei Jahre sind das (nur!)180-270 Trainingseinheiten. Im Vergleich zu anderen Sportarten im Leistungsbereich ist das natürlich viel zu wenig und logischerweise auch der Hauptunterschied zum zeitlichen Aufwand im Mutterland dieser Sportart..
Diese begrenzte Zeit gilt es systematisch(er) zu nutzen. Hier könnten die Grundlagen geschaffen werden und eine konsequente, durch Training(!) hervorgerufene Entwicklung zu fordern und auch zu fördern. Dazu braucht es konkrete Trainingsziele, damit Zeit effektiver genutzt werden, das Training für die spezifischen Anforderungen im Football optimiert werden und mögliches Leistungspotential ausgeschöpft werden kann.
Es könnte für die U-19 Junioren- und HerrenNationalmannschaft, sowie Bundesliga Teams von Interesse sein, eigene Mindestanforderungen für die verschiedenen Positionsgruppen zu formulieren. Zum Einen, um Anreize für die aktuellen Spieler zu schaffen. Zum anderen hilft es talentierten Nachwuchsathleten der vielen Jugendmannschaften, sich frühzeitig Ziele zu setzen. Anschließend können sich diese Athleten mittelfristig (in der Regel drei bis vier Jahre Jugendfootball und ca. weitere 3-6 Jahre Herrenfootball) auf die definierten und wahrscheinlich steigenden Anforderungen der nationalen „Eliteebenen“ (z.B. 1. Bundesliga (Junioren/Senioren), Länderauswahlmannschaften U19) vorbereiten.
Bei internationalen Meisterschaften der Herren (EM/WM) werden in Zukunft andere bzw. noch höhere (technische, taktische und athletische) Anforderungen an die Auswahl- bzw. Elite Athleten gestellt werden. Es besteht also eine dringende Notwendigkeit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, um den Anschluss an (internationale) Entwicklungstendenzen nicht zu verpassen.
In diesem Sinne – Keep your Fire burning …!
Sammy Schmale
Diplom Sportlehrer
Personal Trainer
PS: Eine vollständige Literaturliste ist beim Verfasser erhältlich: psst@sammyschmale.de
Urheberrechtshinweis
Alle Inhalte dieses Artikel, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken, sind urheberrechtlich geschützt (Copyright). Das Urheberrecht liegt, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, bei Sammy Schmale. Bitte fragen Sie mich, falls Sie die Inhalte dieses Internetangebotes verwenden möchten.psst@sammyschmale.de
Wer gegen das Urheberrecht verstößt (z.B. die Inhalte unerlaubt auf die eigene Homepage kopiert), macht sich gem. § 106 ff Urhebergesetz strafbar. Er wird zudem kostenpflichtig abgemahnt und muss Schadensersatz leisten. Kopien von Inhalten können im Internet ohne großen Aufwand verfolgt werden.